Marketing-Macht Influencer?

Chancen und Grenzen des Werbetrends

Ohne Social Media geht heute nichts mehr – auch Werbung setzt auf die Online-Kanäle. Und ohne Influencer-Marketing kommen diese Kampagnen immer weniger aus. Im Produktverkauf ist die strategische Integration von Influencern in den Marketing-Mix ein „Muss“ und bietet immenses Potenzial. Nicht nur bei Teenagern, sondern auch im Segment der 24- bis 29-Jährigen sowie in den Altersklassen von 30 bis 49 wird damit die Kaufbereitschaft positiv beeinflusst.

Influencer-Marketing ist jedoch nicht für jede Organisation oder Unternehmung das richtige Instrument. Das Phänomen gerät schnell in eine Glaubwürdigkeitskrise, wenn das Posting nicht mehr authentisch ist. Xenia Tchoumitcheva kann ihre Anhängerschaft zwar sehr wohl von Dior-Unterwäsche und Chanel-Lippenstiften überzeugen. Aber wäre es nicht unglaubwürdig, wenn die Schweizer Influencerin plötzlich über Fischerei-Zubehör oder Tierfutter bloggen würde? Der perfekte Fit zwischen Influencer und dem Produkt oder der Dienstleistung ist entscheidend. Die Affinität zählt. Diese Voraussetzung ist vergleichbar mit dem klassischen Sponsoring. Auch dort gilt: Die Werte oder Haltung zwischen Sponsor und Gesponsertem müssen sich decken. Auf der anderen Seite gibt es Branchen, für die das Influencer-Marketing kein passendes Instrument darstellt. Dazu zählen beispielsweise Ärzte oder auch Anwälte. In diesen Segmenten sind Diskretion und Vertrauen entscheidende Verkaufsfaktoren. Influencer hingegen transportieren und propagieren einen Lifestyle. Demnach eignen sich auch nur Dienstleistungen und Produkte für diese Art von Marketing, die ein bestimmtes Lebensgefühl vermitteln möchten.

Als Influencer oder auch Meinungsbildner kann eine Person bezeichnet werden, wenn sie durch ihre Internet-Präsenz eine grosse Anzahl an Followern für sich begeistern kann. Die Fans vertrauen ihren Aussagen und Beiträgen und lassen sich im Kaufentscheid beeinflussen.

Influencer und damit verbundenes Marketing ist im Grunde nichts Neues. So hat Jackie Kennedy die Mode der Sechzigerjahre massgeblich beeinflusst und inspiriert den Stil der First Ladies bis heute. Das britische Model Kate Moss beeinflusst als Stilikone sogar Designer. Als sie an ihrem 30. Geburtstag ein blaues Vintage-Kleid mit Pailletten bestickt trägt, ist die ganze Welt begeistert. Nur wenig später schickt der Designer Tom Ford seine Models für die Gucci Herbstkollektion in identischen Kleidern auf den Laufsteg. Mundpropaganda und Influencing gehört zu den ältesten und wertvollsten Werbeformen, die es im Marketing gibt. Im Zuge der Digitalisierung verlagerte sich die Mundpropaganda von Empfehlungen zwischen Freunden und Familie in die sozialen Netzwerke, wo tausende von Followern beeinflusst werden können. Die Reichweite wirkt sich auch auf den Umsatz aus. Laut der Agentur„Kingfluencers“generieren Unternehmen mit Hilfe von Influencer-Marketing rund 2,6 Mal mehr Verkäufe.

Unternehmen und Agenturen haben die Influencer als Werbeinstrument längst entdeckt. Der Deal: Der Influencer bekommt ein Produkt oder eine Dienstleistung eines Unternehmens finanziert und berichtet als Gegenleistung auf Instagram, Snapchat & Co. darüber. Je nach Reichweite und Ansehen des Influencers muss das Unternehmen den Blogger zusätzlich für das Posting bezahlen. In der Schweiz bewegen sich die Preise für einzelne Influencer-Posts zwischen 500 und 5’000 Franken, wie Simon Künzler von der Marketingagentur Xeit gegenüber SRF4 sagt.

Influencer können somit effektive Markenbotschafter sein. Studien aus den USA zeigen, dass bis zu 92% der Internetnutzer den Empfehlungen der von ihnen gefolgten Influencer vertrauen. Dazu kommt, dass die Kosten für diese Form des Marketings sehr viel tiefer ausfallen als beispielsweise für klassische Plakatkampagnen oder Fernsehwerbung. Für Unternehmen ist dieser Marketingzweig damit ausserordentlich attraktiv.

Auch auf Social Media besteht die Pflicht, Werbung als solche zu kennzeichnen. Im digitalen Raum verschwimmen die Grenzen aber schnell und Follower können oft nicht auf den ersten Blick zwischen Werbeposts und unbezahlten Beiträgen unterscheiden. Die Kennzeichnung ist – wenn überhaupt – meist irgendwo in einem der zahlreichen Hashtags versteckt und geht als #ad schnell unter. So kann es sein, dass ein Influencer über ein Produkt oder eine Dienstleistung schwärmt, dafür bezahlt wird und dies seinen Followern verheimlicht. In Deutschland hat der Verband Sozialer Wettbewerb deswegen vor kurzem zahlreiche Abmahnungen an Influencer verschickt, die nicht offengelegt hatten, wenn sie für etwas geworben haben. Trotzdem bleiben viele bezahlte Partnerschaften ungekennzeichnet. Das Influencer-Marketing agiert damit gewissermassen in einer Grauzone.

Einzelne Kooperationsmöglichkeiten sollten sorgfältig und gründlich geprüft werden. Denn wo es „easy cash“ gibt, sind auch Betrüger nicht weit. Vor einigen Wochen hat die Marketing Agentur Mediakix gezeigt, wie einfach und schnell man zum Fake-Instagram-Star werden kann: In Form eines Experimentes bauten sie zwei Fake Influencer-Profile auf, mit denen sie im Werbemarkt zahlreiche lukrative Aufträge hätten ergattern können. Für $3-$8 können 1’000 Follower erworben werden, für dieselbe Anzahl Likes bezahlt man $4-$9. Kommentare gibt es für 12 Cent. Diese Interaktionen und Reichweiten sind für Unternehmen, die ihre Produkte und Dienstleistungen bewerben wollen, aber komplett nutzlos, da die Interkationen meist von sogenannten „Click“- oder „Like“-Farmen aus dem asiatischen Raum stammen. Von solchen Farmen wird eine grosse Anzahl Arbeiter dafür bezahlt, Beiträge zu liken oder zu kommentieren und Profilen zu folgen.

Möchte man als Unternehmen auf Influencer-Marketing setzen, sollte deshalb vor jedem Auftrag die „Echtheit“ des Profils überprüft und sichergestellt werden. So kann der Erfolg der Kampagne riesig sein und die Effektivität ist gesichert. Das beste Beispiel für eine erfolgreiche Influencer-Marketing-Strategie ist der schwedische Uhrenhersteller Daniel Wellington. Als eine der ersten Marken verstand Daniel Wellington das Potenzial der Influencer in den sozialen Netzwerken und verzichtet auf jegliche anderen Marketingmassnahmen. Die Marke konnte 2015 über eine Million Uhren verkaufen und einen Profit von 220 Millionen Dollar verzeichnen.