Diversity im Verwaltungsrat & in der Chefetage

Eine Frage der Einstellung
Seit über 10 Jahren setzt sich Nathaly Bachmann für Diversity ein – damit sich die Frauen-Frage, die Frage nach mehr Frauen in Wirtschaft oder Politik, endlich erübrigt. Sie baute das Womens Forum in der Credit Suisse mit auf und gründete den Ventana Club. Oder sie bringt die Thematik schriftlich auf den Punkt: Schweizer Monat „In die erste Reihe treten“. Antworten auf eine der drängendsten Fragen unserer Gesellschaft gibt es mittlerweile, doch hapert es noch immer an der effizienten Umsetzung. Warum bloss – alles eine Frage der Einstellung? Eine Auslegordnung.
Zahlen sprechen Klartext
Frauen sind in der Schweiz heute so gut ausgebildet wie nie zuvor. Über die Hälfte der Hochschulabgänger sind weiblich. Trotz hervorragender Qualifikationen bleibt der Anteil Frauen in Kaderpositionen tief. Das Zürcher Headhunter-Unternehmen Aebi+Kuehni hat die Verwaltungsräte von Firmen mit über 1300 Mitarbeitenden untersucht. Das Resultat: Mit 164 von 916 Verwaltungsratsmandaten sind nur gerade 18 Prozent von Frauen besetzt. Zur Verwaltungsratspräsidentin haben es im berücksichtigten Datensatz nur fünf Frauen geschafft. 11 sind Vizepräsidentinnen.
These I: Mut zu Lücken
Sabine Keller-Busse ist eine der wenigen Frauen, die mehrere Kaderpositionen besetzt. Bei der Zürcher Grossbank UBS ist sie Konzernleitungsmitglied und Personalchefin. 2017 ist sie ins Vizepräsidium der SIX Group aufgestiegen und präsidiert den renommierten Nominations- und Entschädigungsausschuss. Weshalb sind Frauen in solchen Kaderpositionen nur selten anzutreffen? Sabine Keller-Busse ist der Meinung, dass vielen Frauen der Mut zu Lücken fehlt. Erst, wenn Frauen glauben, dass sie 120 Prozent der geforderten Kriterien erfüllen, fühlen sie sich der Aufgabe gewachsen und möchten sich ihr auch stellen. Männer hingegen haben weniger Probleme damit, nicht allen Anforderungen zu genügen.
Der fehlende Mut zur Lücke könnte aber ebenfalls gender-diskriminierende Wurzeln haben. Eine amerikanische Studie des National Bureau of Economic Research zeigt, dass Frauen bei Fehlverhalten mit unangenehmeren Konsequenzen rechnen müssen als ihre männlichen Kollegen. Männer begehen zwar öfter Verfehlungen, werden dafür im Schnitt aber weniger hart bestraft als Frauen. Weiter mögen Frauen die Machtkämpfe an der Spitze weniger als Männer. Dies könnte Frauen ebenfalls entmutigen. Denn auf einem Präsidium muss man den Kopf auch für Unschönes hinhalten können, meint Christiane Roth, Präsidentin des Audit-Ausschusses der Helsana.
These II: Ambition Gap wegen Familienstatus
Ein weit verbreitetes Argument in der Gender-Diskussion ist die geringere Karriere-Ambition bei Frauen. Frauen würden am Anfang ihrer Karriere zwar den selben Ehrgeiz wie Männer aufweisen, würden diesen aber mit der Zeit verlieren, vor allem wenn die Familienplanung ansteht. Dann würden die meisten Frauen die Familie vor die Karriere stellen. Eine Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group zeigt nun aber eine andere Kausalität. Frauen starten ihre Karriere mit gleich viel oder sogar mehr Ehrgeiz als Männer. Nach und nach nimmt der Ehrgeiz aber ab. Die veränderten Ambitionen der Frauen sind aber nicht auf die Familienplanung zurückzuführen, sondern auf das Unternehmen, in dem sie arbeiten. Mutter zu sein beisst sich nicht mit Karrierezielen und Ehrgeiz. Der Wille aufzusteigen entwickelt sich bei kinderlosen Frauen und bei Müttern über die Zeit hinweg sehr ähnlich, ist aber davon abhängig, ob im Unternehmen die Gender-Diversity gefördert wird oder nicht. Fazit der Studie: In Unternehmen, in denen eine positive Einstellung und eine offene Kultur gegenüber Diversität der Geschlechter herrscht, möchten Frauen mit und ohne Kinder aufsteigen. Dabei gibt es auch keinen Unterschied zu den Ambitionen der Männer. Kümmern sich Unternehmen nicht um die Gender Diversity, verlieren Frauen und Männer den Ehrgeiz. Die Frauen verlieren diesen aber schneller als die Männer, weshalb ein Gap entsteht.
Die Lösung: Unbewusste Muster & Vorurteile aussschalten
Um die Ambitionen der Frauen zu erhalten und ein gender-freundliches Klima zu schaffen, muss bei der Einstellung und den Vorurteilen gegenüber Frauen begonnen werden, die gesellschaftlich tief verwurzelt sind. Weil Frauen als weniger karriereorientiert gelten, werden sie beispielsweise mit weniger anspruchsvollen Aufgaben konfrontiert. Ebenso erhalten sie einen tieferen Lohn als Männer. Das demotiviert und entmutigt. Clivia Koch, Präsidentin des Verbands Wirtschaftsfrauen Schweiz meint: „Vielen Chefs – und auch den Chefinnen – fällt gar nicht auf, dass sie Frauen nach wie vor anders beurteilen als Männer. Erst, wenn sie sich ihrer Vorurteile bewusst werden, können sie die Firmenkultur nachhaltig verändern“.
Vieles läuft bereits bei der Personalrekrutierung falsch, dieser Meinung ist auch Iris Bohnet, Verwaltungsrätin der Credit Suisse und Harvard-Professorin. Stereotypisierung und Vorurteile prägen den ganzen Bewerbungsprozess – oft auch unbewusst. Um mehr Frauen in Kaderpositionen zu befördern, schlägt sie eine Anonymisierung des Bewerbungsprozesses vor, sodass weder Geschlecht noch Hautfarbe oder andere subjektive Merkmale den Vorgang beeinflussen können. Die fünf renommiertesten Orchester der USA haben diese Massnahme erfolgreich angewendet und konnten ihren Frauenanteil auf über 35 Prozent steigern.
Die Essenz
Eine Einstellung zu ändern braucht Zeit. Dass Frauen in Führungspositionen Normalität werden braucht Geduld. Doch es gibt sie, die Lösungen und Möglichkeiten die Frauen-Frage langfristig und befriedigend beantwortet zu wissen. Für Nathaly Bachmann bedeutet dies, weiterhin mit Engagement und Hartnäckigkeit dran zu bleiben. Lassen wir uns nicht von Stereotypen entmutigen und sorgen dafür, dass immer mehr Vorbilder sichtbar werden und uns alle motivieren.