«Likes» – ein Volltreffer in die menschliche Psyche.

Seinerzeit in der Primarschule: Ein Zettelchen erreichte mein Pult. Gespannte Blicke wurden mir beim Öffnen zugeworfen.

Der Schreiber legte mir das Stückchen Papier nicht auf direktem und diskretem Wege hin. Nein, es wurde mir von Mitschülern übertragen. Reihe um Reihe, Pult um Pult passierte es die ganze Klasse. «Willst du mit mir gehen?» stand da. Unten konnte ich ein Kreuzchen setzen: «Ja» oder «Nein». Ich setzte mein Kreuz und das Zettelchen nahm seinen Lauf zurück zum Absender. Die ganze «Community» verfolgte die Reaktion des Empfängers. Die Reaktion auf ein mögliches «Like».

Heute schmunzeln wir darüber. Kindlich nennen wir es. Doch eigentlich sind wir Jahrzehnte später nicht weiter. Kein Stückchen besser. Wir erleben in der digitalen Welt, auf den Social-Media-Kanälen, dieselbe Inszenierung wie beim Start der ersten Liebe. Der Drang um ein «Like», ein öffentliches «Ja» lässt oftmals alle Scham verschwinden. Und von der investierten Zeit für das perfekte Bild gar nicht zu reden. Noch immer gewichten wir die öffentliche Bestätigung als erstrebenswert. Der Zauber des Privaten ist vergessen.

Für Babys ist das unstillbare Verlangen nach Zuneigung und Liebe überlebensnotwendig. Sicherheit und Geborgenheit lassen uns gesund heranwachsen. Sie sind Fundament unseres Selbstwertgefühls. Emotionspsychologen gehen davon aus, dass Babys im ersten halben Jahr 30’000 Mal angelächelt werden; sie gespiegelt bekommen ‚du bist ein erfreulicher Anblick, du bist wichtig‘. Dieses sich Anschauen, sich Wahrnehmen ist etwas ganz elementar Menschliches. Nichts Natürlicheres deshalb, als dass wir die Bestätigung, alles richtig zu tun, immer wieder suchen – auch als Erwachsene.

Menschen mit einem hohen Selbstwertgefühl, authentische Persönlichkeiten, die sich gleichzeitig ihrer Grenzen bewusst sind, nennen wir souverän. Interessant deshalb die wissenschaftliche Erkenntnis, dass souveräne Menschen Freunde und ein Umfeld zulassen, dass auch ihre Schwächen kennt und kritisch sein darf. Dies im Gegensatz zu Menschen mit einem niedrigen Selbstwertgefühl.

Die Anerkennung im Aussen zu suchen, gibt anderen eine sehr grosse Macht über uns, unser Selbstwertgefühl. Die Forderung an Andere zu stellen, uns zu lieben, macht unglücklich. Denn nicht immer erfolgt der erwünschte Zuspruch oder wir werden von Reaktionen enttäuscht. Eigene Wünsche werden unterdrückt und wir verlieren uns selbst. Wir verlieren das Authentische, was das Gewinnende wäre.

Souveräne Menschen halten ihre Kraft nicht unter Verschluss, sondern strahlen bei dem was sie tun eine Freude aus. Sie konzentrieren sich auf sich selbst, statt dauernd darauf, von allen anderen gemocht zu werden. Dinge zu tun, die für einen selbst eine Bereicherung bedeuten, steigern die Zufriedenheit deutlich.

Das Kommunikationsinstrument «Social Media», die diversen Kanäle, geniessen enorme Vorteile. Sie transportieren Emotionen. Erzählen Geschichten. Lassen uns teilhaben und in Welten eintauchen. Doch sind wir uns einmal mehr bewusst, welchen einfachen psychologischen Mechanismus sie lostreten.

Ein leiser Appell an das Kostbare, das Seltene. Das in Zeiten von «ständig erreichbar» und andauernder Kommunikation wohl effektiver wird. Ein Denkanstoss, die Stärke zu wahren, nicht dem Mainstream zu folgen. Die Dissonanz auszuhalten. Denn dieses Glück, diese Zufriedenheit, währt länger. Nicht bloss einen Post lang. Und der Stress wird um ein Wesentliches geringer.