Neue Spielregeln in der Arbeitswelt: Warum wir Millennials mehr wollen

Eine Selbstanalyse von Naëmi Rickenmann

Millennials, Generation Y oder Generation Z. So nennt man uns Kinder der Babyboomer, die Nachfolger der Generation X. Irgendwann zwischen den frühen Achtzigern und den späten Neunzigern geboren, sind wir heute erwachsen und machen mittlerweile knapp die Hälfte der Arbeitskräfte aus. Man beschreibt uns als narzisstische Faulpelze mit hohen Ansprüchen. Oder als interessierte Kosmopoliten mit ehrgeizigen Zielen und digitalem Selbstverständnis. Was ist dran an den Klischees? Und wie arbeitet man erfolgreich mit uns zusammen? Ich wage eine Selbstanalyse und erkläre, warum wir mehr wollen.

Wir Millennials hatten Glück. Im Gegensatz zu unseren Eltern oder Grosseltern sind wir in eine Zeit hineingeboren worden, in der der Wohlstand so gross ist wie noch nie. Wir sind überwiegend gut ausgebildet, technikaffin und leben in einer Multioptionsgesellschaft mit nahezu unbegrenzten Möglichkeiten im digitalen Zeitalter.

Habe ich eine Frage, liefert mir Google in Sekundenschnelle die passende Antwort, vom Algorithmus genauestens individuell abgestimmt. Meine Freundin studiert in Japan? Kein Problem mit Skype & Co. Und selbst die Steuererklärung erledige ich gemütlich vom Sofa aus.

Gleichzeitig kämpfen wir in diesem Wohlstand mit einem Überangebot. Egal ob Einkaufen, neue Leute Kennenlernen oder Berufswahl: Überall ist jederzeit alles möglich. Das lässt einen schnell die Orientierung verlieren. Wir tun uns deshalb schwer mit Entscheidungen und wissen nicht, was richtig und was falsch ist. Copy Paste und Nachahmung funktionieren in unserer individualisierten Gesellschaft nicht mehr. Und der Leistungsdruck wächst stetig. Denn wem alle Türen offenstehen, der sollte bitte auch die ihm gebotenen Chancen nutzen und immer noch schneller, noch besser und noch toller sein. Versagen ist keine Option.

Die Welt um uns herum entwickelt sich exponentiell weiter – in einem rasanten Tempo. Wir Menschen sind jedoch denkbar schlecht darin, Exponentialität kognitiv zu begreifen und die zukünftigen Folgen daraus abzuleiten. Exponentielle Entwicklungen per se sind nicht neu. Henry Ford beispielsweise revolutionierte vor über 100 Jahren die Autoindustrie, indem er die Fliessbandproduktion einführte. Digitalisierung aber verändert die Welt grundlegender, schneller und nachhaltiger als jede Entwicklung zuvor. Diese Zeit der grossen Umbrüche – eine Herausforderung für uns.

Wir werden als unbelastbare Faulpelze, verwöhnte Selbstverwirklicher und anspruchsvolle Dickköpfe bezeichnet. Laut der Headhunter-Firma Odgers Berndtson, die in der DACH-Region regelmässig Führungskräfte zu jungen Berufstätigen befragt, haben wir eine schlechte Arbeitsmoral und unrealistische Gehaltserwartungen. Uns wird vorgeworfen, dass wir nicht leben, um zu arbeiten, sondern um das Leben zu geniessen. Dass wir eine Turnschuh-Mentalität praktizieren: Erfolgreich werden mit überschaubarem Aufwand.

Diese Stereotypisierung empfinde ich als vorwurfsvoll.

Unternehmen sind auf uns «Young Professionals» angewiesen. Wir machen mittlerweile knapp die Hälfte der Arbeitskräfte aus. Ich meine, es ist an der Zeit, dass wir gegenseitig mehr Verständnis schaffen und dem Kommunikationsproblem auf den Grund gehen.

Zur allgemeinen Beruhigung: Wir, meine Generation, wollen durchaus etwas erreichen. Aber nicht um jeden Preis.

Denn wir beobachteten genau. Wir hatten Väter und Mütter am Tisch, denen die Arbeit keine Freude bereitete, die vielleicht gar von Burnouts gekennzeichnet waren. Wir erkennen die fehlende Work-Life-Balance. So wollen wir unser Leben nicht gestalten.

Unsere Arbeit soll uns Freude machen, einen Sinn ergeben und etwas bewirken. Am Arbeitsplatz wollen wir uns wohlfühlen und verstanden werden. Dieses Stückchen Frieden gibt uns die Sicherheit, nach der wir in diesem komplexen Zeitalter so sehr streben. Deshalb auch ist für uns genügend Zeit für Familie und Freunde so wertvoll. Und das hat nichts mit Faulheit zu tun, ganz im Gegenteil: Diese Balance sorgt für langfristige Gesundheit und macht glücklich.

Flexibilität ist uns ganz besonders wichtig. Das kann bedeuten, dass man an einem Tag zwölf Stunden arbeitet, an einem anderen eben nur sechs. Oder es kann auch bedeuten, dass man mobil arbeitet – ohne fixen Arbeitsplatz. Warum auch täglich ins Büro gehen, wenn man sowieso alles auf dem Laptop erledigen kann? Auch hier wird klar: Die Sinnfrage ist ein entscheidender Treiber. Aber neben Flexibilität, Sinn und Work-Life-Balance gibt es noch andere Motivationsfaktoren.

Mal ehrlich: Startups sind nicht gerade dafür bekannt, eine gute Work-Life-Balance zu garantieren. Und doch ziehen sie Millennials magisch an. Durch die hohe Wachstumsgeschwindigkeit und den Marktdruck wird Agilität und eigenständiges Denken in Startups gefördert, man kann eigene Ideen verwirklichen und schnell Verantwortung übernehmen. Zudem herrscht interpersonal ein dynamisches und forderndes Umfeld mit viel Teamgeist und Gemeinschaftsgefühl, aber auch flachen Hierarchien. Aktives Mitgestalten ist selbstverständlich. Das lieben wir.

Klar, es gibt sie noch, die vorgezeichneten Karriereleitern in klassischen Unternehmen mit Renommee. Vom Assistenten über Junior Manager geht’s weiter mit Titeln wie Senior Manager und Partner. Auf den ersten Blick ein Weg für Karrierebewusste, die klare Ziele haben. Aber hier kommt der Knackpunkt.

Langfristige Ziele für die Zukunft oder die berühmte Frage «Wo siehst du dich in 5 Jahren?» haben es in einer Welt voller Unsicherheit und rasanten Entwicklungsschritten schwer. Berufliche und gesellschaftliche Anforderungen ändern sich quasi über Nacht. So sind wir lieber mittendrin im Wandel, als uns über Konzernstrukturen einen Weg aufzeichnen zu lassen, den es wohl morgen nicht mehr gibt. 

Unternehmen – auch die grossen – sind längerfristig auf Millennials angewiesen. Nicht nur, weil wir bald über die Hälfte der gesamten Arbeitskräfte ausmachen, sondern auch, weil wir rein zahlenmässig weniger sind als unsere Vorgänger aus der Babyboomer-Generation. Es fehlen also Nachwuchskräfte. Ein «War for Talents» ist vorprogrammiert.

Durch die Globalisierung wird der Kampf um die Talente gar international. Viele Unternehmen fühlen sich darauf nicht ausreichend vorbereitet und wissen nicht, wie sie mit den neuen Anforderungen umgehen sollen. Und dies machen sich zahlreiche HR-Firmen zum Vorteil.

Unternehmen bezahlen teures Geld für sogenannte Beratungsfirmen, in denen «überalterte» Consultants erklären sollen, wie man uns zu rekrutieren hat oder auf welche Eigenheiten im Berufsalltag geachtet werden muss. Warum teure Beratungshonorare für eigentlich triviale und oberflächliche Informationen bezahlen?

Sparen Sie sich diese Zeit (und das Geld). Millennials erfolgreich einzustellen geht auch ohne teure Tipps und Seminare. Wir schätzen eine offene und klare Kommunikation. Echte Leadership-Qualitäten überzeugen uns. Seien Sie transparent. Bleiben Sie authentisch.

Ich betone es gerne nochmals: Millennials möchten gefördert und gefordert werden. Wir wollen lernen. Wir möchten einen Mehrwert für das Unternehmen leisten und aktiv mitwirken.

Unser Anspruch? Eine authentische Führung. Echte Leader leben Visionen und Werte. Das schafft Orientierung und motiviert. Scheitern darf Platz haben, eine offene Fehlerkultur schafft Integrität und lässt Mitarbeitende wachsen. Das gilt auch für die Geschäftsleitung selbst. Sie soll uns als Vorbild von ihren Erfolgen, aber auch von ihren Misserfolgen und Learnings erzählen. Wir schätzen diese Transparenz und Ehrlichkeit. Das fördert gegenseitiges Vertrauen.

Millennials lieben neue Impulse. Eine authentische Führung fördert unsere Eigeninitiative und das Mitdenken. Gestaltungs- und Entfaltungsmöglichkeiten sind uns wichtig und motivieren uns. Wir wollen gehört werden. Und wir wollen mitentscheiden.

Sagen Sie klar und deutlich, wofür Ihr Unternehmen steht. Auch von aussen muss schnell klar werden, was Sie zu bieten haben und was Sie wollen. Holen Sie uns dort ab, wo wir sind: auf Social Media.

Eine zielgruppenaffine Ansprache ist essenziell und bedarf genauen Überlegungen. Sprechen Sie Klartext und nicht um den heissen Brei herum. Was ist der Sinn Ihres Unternehmens? Was bieten Sie zukünftigen Mitarbeitenden? Warum lohnt es sich, bei Ihnen einzusteigen? Wie heben Sie sich von anderen Arbeitgebern ab?

Um uns einzustellen und erfolgreich zu halten, genügt es nicht mehr, mit guter Bezahlung, Statussymbolen oder klassischen Hierarchiemodellen zu locken. Intrinsische Motivation und kreative Freiräume sind gefragt. Sinnstiftende Tätigkeiten und eine ideale Work-Life-Balance sind das A und O für uns.

Dafür bieten wir Ihnen zahlreiche Chancen für Ihr Unternehmen. Mit unserer Mehrsprachigkeit und Internationalität, mit interkulturellen Kompetenzen, viel Engagement, Offenheit, Ehrgeiz und unserem digitalen Verständnis können wir dem Unternehmen grossen Mehrwert bieten.

Vertrauen Sie uns. Wir vertrauen Ihnen. Lassen Sie uns tun und wir treiben den Wandel voran – zusammen mit Ihnen.