Kommunikation bedeutet auch Commitment

Man nennt sie «den gelben» und «den orangen» Riesen, doch sie schaffen es nicht, Farbe zu bekennen und für ihre Werte einzustehen. Etwas mehr Integrität und Mut, bitte!

«Wir glauben keineswegs, dass du oder deine Aussagen rassistisch sind. […] Wir glauben fest daran, dass jede und jeder Fehler machen und daraus lernen darf. Und wir sind der Meinung, dass genau dieses «Gegeneinander» letztlich niemandem hilft.» Mit diesen Worten wandte sich Ikea öffentlich an die Influencerin Mimi Jäger, welche von den Medien und in den Sozialen Medien nach ihrer zugegebenermassen unüberlegten Aussage kurzerhand als Rassistin abstempelt wurde.

Am 13. Juni 2020 enerviert sich Mirjam Jäger auf Social Media über die Demonstrierenden der Black-Lives-Matter-Bewegung. Grund: diese durchkreuzten ihre Samstagspläne in der Stadt. Es folgt: ein Shitstorm, wie ihn keiner kommen sah. Zwei Tage später reagieren bereits mehrere Businesspartner und distanzieren sich öffentlich von der Aussage der ehemaligen Freestyle-Skifahrerin. Nur von Ikea erhält sie zu diesem Zeitpunkt Rückendeckung. Es folgt: Kritik am überstürzten Vorgehen der Post. Diese entschuldigt sich daraufhin öffentlich bei Mimi Jäger für ihr Vorgehen.

Und dann, einige Tage nach dem heroischen Auftritt Ikeas, krebst auch dieser Grosskonzern zurück und kündigt den Vertrag mit Mimi Jäger.

Es mag Sie beirren, dass ich mein Beispiel gerade an einer Influencerin aufzeige und ja, als Person mag Mimi Jäger für Sie und mich kaum Alltagsbedeutung haben. Doch ihr Fall ist bezeichnend für den Umgang von Unternehmen und Kommunikationsabteilungen, auf Shitstorms zu reagieren. Sie zeigen sich moralisch und wertverbunden und verbergen damit, dass sie eigentlich als Fähnchen im Wind handeln – obwohl der Begriff des Handelns hier wohl noch als zu aktiv interpretiert werden dürfte. Der Wind, das sind wir, die Öffentlichkeit. Zumindest die wenigen Prozent der Bevölkerung, die sich in der Kommentarspalte eine laute Stimme verschaffen und dadurch als repräsentativ für ein ganzes Volk erscheinen. Die Krux: heutzutage reicht es bereits, eine Vermutung zu äussern und die Unternehmen springen drauf an. Man nennt sie «den gelben» und «den orangen» Riesen, doch sie schaffen es nicht, Farbe zu bekennen und für ihre Werte einzustehen.

Mich zumindest lässt diese widersprüchliche Kommunikation etwas unbefriedigt zurück. Und auch etwas irritiert. Man wusste, dass Mimi Jäger auch eine persönliche Meinung hat, als man den Vertrag mit ihr unterzeichnete.

Wo bleibt das Rückgrat? Oder folgte man von Beginn an eher dem kommerziellen Riecher als einem ehrlichen Wert? Etwas mehr Integrität und Mut, bitte!

Kommunikation bedeutet für mich auch, ein Commitment eingehen zu können und zu wollen. Zu seinen Werten zu stehen. Seine Handlungen nicht von einer Kommentarspalte abhängig zu machen. Dieses Commitment ist es, das mir momentan in der Kommunikation fehlt. Stattdessen scheint es, als ob das Kommunizieren jedes Engagements nur noch auf kommerzielle Zwecke abzielt. Als wäre es ein Karmapunkte-System. Mimi Jäger berichtet über uns: + 20 Punkte. Mimi Jäger versagt: -10 Punkte. Öffentlicher Shitstorm: – 30 Punkte. Mimi Jäger absetzen: + 20 Punkte. Das Absetzen Mimi Jägers wird kritisiert: – 10 Punkte. Bei Öffentlichkeit entschuldigen: + 10 Punkte. Damit sind wir wieder bei Null. Immerhin.

Und doch bleibt mir dieser negative Beigeschmack eines Unternehmens, das sein Handeln stets nur nach den aktuellen, kurzlebigen Entwicklungen und nach den lautesten Schreien richtet, nicht aber nach echten, ehrlichen Wertehaltungen. Dieses Verhalten lässt Unternehmen zusehends unglaubwürdiger erscheinen. Mein Vertrauen in sie schwindet, wobei sie mit ihren Handlungen doch eigentlich das Gegenteil erzielen wollten.

Doch Rückgrat und Integrität sind es, die Firmen den Pfupf geben, die sie sympathisch, ja fast schon menschlich machen. Wie Ikea schrieb: Wir machen Fehler und können daraus lernen. Doch es gilt dafür auch, Haltung zu zeigen und zu seinen Werten zu stehen. Das macht echte, authentische Kommunikation aus und schliesst bei der richtigen Anwendung auch einen wirtschaftlichen Nutzen keinesfalls aus, sondern befeuert ihn.

Ein Beispiel für diese Integrität ist der Fall Christa Rigozzi. Zum Jahreswechsel postete sie einen Social-Media-Post zum Restaurant «Alpenrose», in dem sie zum Boykott aufrief. Ein Shitshorm brach über sie herein. Und doch: keiner der Partner distanzierte sich von Rigozzis Aussagen oder ihrer Person. Und darum müsste es doch in einer solchen Kooperation gehen: um eine Zusammenarbeit, in der kritisch hinterfragt wird, aber auch Fehler und andere Meinungen zugelassen werden. Wir kennen es aus Freundschaften: wenn wir auch dann zum anderen stehen, wenn er sich einen Fehler leistet, erwächst daraus nur eine noch echtere, schönere Beziehung. Diese Romantik wünsche ich mir auch im Geschäftsalltag. Dann würde aus einem künstlich vereinbarten Ziel ganz unverhofft etwas Wahrhaftiges, etwas Nachhaltiges.